Leitung: Dr. Fatima Çaviş, Institut Islamische Religion, Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Krems und Dr. Michaela Quast-Neulinger, Institut für Systematische Theologie, Universität Innsbruck
Durch den Einzug der islamischen Theologie neben den christlichen Theologien an den Universitäten in Europa in jüngster Zeit rückt der Aspekt der „Interreligiosität“ im akademischen Kontext verstärkt in den Vordergrund. Die islamischen und christlichen Theologien werden durch die neuen Entwicklungen herausgefordert, sich über die möglichen Formen der Zusammenarbeit sowie des Lernens von- und miteinander Gedanken zu machen. Scriptural Reasoning ist dafür ein Paradebeispiel.
Scriptural Reasoning ist ein methodisches Instrument für den interreligiösen Dialog, das vor allem im anglo-amerikanischen Raum sehr verbreitet ist. Die Methode geht auf das Textual Reasoning zurück, das von einer Gruppe jüdischer Philosoph_innen und Theolog_innen in den Anfängen der 90er-Jahre in den USA initiiert wurde. Durch die Teilnahme von christlichen sowie muslimischen Theolog_innen an den Textual Reasoning Sitzungen Ende der 90er-Jahre wurde das Scriptural Reasoning ins Leben gerufen. Dabei handelte es sich ursprünglich um ein freies Gespräch und die Diskussion über ausgewählte Textpassagen aus Thora, Bibel und Koran zu einem bestimmten Thema in kleinen Gruppen von Expert_innen, wobei mindestens ein_e Vertreter_in der jeweiligen religiösen Gemeinschaft anwesend war.
Scriptural Reasoning zielt unter anderem darauf ab, eine „Academic Scriptural Theology“ zu entwickeln, die intellektuelle und spirituelle Tiefe miteinander verbindet. In Rückgriff auf die zentralen Schriften der teilnehmenden religiösen Traditionen und in post-kritischer Manier, sollen Antworten für gegenwärtige Fragen und Herausforderungen gefunden werden (Ochs 2005). Dabei wird über die theologischen Grundannahmen, die eine solche interreligiöse Praxis voraussetzt, bisher zumindest aus christlich- und islamisch-theologischer Perspektive noch nicht hinreichend diskutiert. Unsere Grundthese ist, dass Scriptural Reasoning wesentlich zur Einübung einer dialog- und konfliktfähigen Haltung, wie sie für das Zusammenleben in Pluralität essentiell ist, beiträgt.
Der Workshop hat zum Ziel, die Methode des Scriptural Reasonings aus christlicher sowie islamischer systematisch-theologischer Perspektive zu reflektieren und weiterzudenken. Nach einem Impulsvortrag, der in die Methode des Scriptural Reasonings einführt, wird dies in ein bis zwei Kleingruppen erprobt. Im anschließenden Gespräch mit den Teilnehmenden wollen wir die gesammelten Erfahrungen einholen und unsere angeführte Grundthese auf die Probe stellen. In der Diskussion soll gemeinsam erarbeitet werden, inwieweit Scriptural Reasoning als Grundlage für die systematische Weiterentwicklung einer pluralitätssensiblen islamischen und christlichen Theologie genutzt werden kann.