Geschichte bewahren, multiperspektivisch erinnern
Zweiter Archivworkshop legt Fokus auf rechtliche Spezifika
Nunmehr das zweite Jahr in Folge veranstaltete das Centrum für Nah- und Mittelost-Studien der Universität Marburg mit der Archivschule Marburg vom 11. bis15. November 2024 einen Workshop zur Einführung in das Archivwesen. Dieser erfolgte in enger Kooperation mit dem Forschungszentrum für Islam und Recht in Europa und der AIWG. Zentraler Fokus des Workshops waren hierbei die Archive religiöser Gemeinschaften und ihre insbesondere rechtlichen Spezifika. Für die muslimischen Teilnehmer_innen dieses Workshops stand die Frage im Mittelpunkt wie Zeugnisse des Islams in Deutschland dauerhaft erhalten werden können. Finanziert wurde ihre Teilnahme aus Mitteln der Deutschen Islam Konferenz.
Muslimische Gemeinden in Deutschland stehen vor der Herausforderung, dass wichtige Zeugnisse, die meist lose gesammelten Materialien der Geschichte des Islams in Deutschland, sachkundig in Formen der Archivierung zu überführen, um für die historische Erinnerung zur Verfügung zu stehen. Andernfalls gehen im Zuge von Umzügen, mit jedem Aufräumen und mit jedem Weggang von Zeitzeug_innen Erinnerungen verloren. Diese Erinnerungen gehören aber zur Geschichte von Muslim_innen in Deutschland und gleichzeitig auch zur deutschen Geschichte insgesamt. Dabei besteht das Erinnerungsmaterial neben Zeugnissen aus der Verwaltungsperspektive auch aus Fotos, Videos, Lehrmaterialien, Ankündigungen von Veranstaltungen, Briefen an den Vorstand als auch aus materiellen Zeugnissen wie etwa Mobiliar. All diese Zeugnisse erzählen eine Geschichte davon, wie Muslim_innen sich vor Ort über die Zeit hinweg organisiert haben, was sie bewegte, wie sich Gemeinden lokal entwickelten und veränderten.
Neben den Grundlagen der Bestandsbildung und Archivierung befassten sich die Workshop-Teilnehmenden mit dem Archivrecht und den Restaurationsmöglichkeiten von angegriffenen Archivalien. Expert_innen der Archivschule teilten ihre Kenntnisse und Erfahrungen ihrer langjährigen Arbeit mit den Kursteilnehmenden. Die interreligiöse Aufstellung des Workshops ermöglichte es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Beständen zu diskutieren und miteinander in den Austausch zu treten.
Die interessierten Teilnehmer_innen kamen mit Archivgut in direkten Kontakt und konnten sich ein reales Bild von mühsamer, aber wertvoller Archivarbeit machen.
Hintergrund für diese Veranstaltung ist es, die Geschichte des Islams in Deutschland als Teil der Geschichte Deutschlands zu sichern. Von der Sicherung der Bestände hängt es maßgeblich ab, wie sich Muslim_innen als Teil der deutschen Geschichte zukünftig selbst erinnern und in der deutschen Geschichte erinnert werden.
Die von der Deutschen Islamkonferenz finanzierte Teilnahme am Archivkurs ist ein offener und konstruktiver Ansatz für eine Grundsteinlegung für die zukünftige Erinnerung des Islams in Deutschland gewesen.