Der Grundstein für die Einrichtung der Islamischen Theologie und Religionspädagogik an deutschen Universitäten wurde im Jahr 2010 über die damalige Empfehlung des Wissenschaftsrats gelegt.

Damit verfolgte der Wissenschaftsrat nicht nur das Ziel, dem Islam in Deutschland eine akademische Heimat zu geben. Zugleich verband sich damit die Vision einer pluralen Theologie und Religionspädagogik, die sich an wissenschaftlichen Maßstäben orientiert und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Angesichts von über fünf Millionen Muslim_innen in Deutschland wollte die Bildungspolitik eine disziplinäre Struktur an Hochschulen etablieren, die den verfassungsrechtlichen Rahmen für Religionsgemeinschaften berücksichtigt. Insbesondere ging es um die Schaffung von Voraussetzungen für eine Ermöglichung des islamischen Religionsunterrichts an Schulen gemäß Art. 7 GG, aber auch um die theologische Auseinandersetzung mit dem Islam im Kontext einer demokratischen und zunehmend pluralen Gesellschaft in Deutschland. Gleichzeitig sollte über ein inländisches akademisches Ausbildungsangebot der Einfluss von islamisch-theologischer Wissensvermittlung im Ausland auf die religionsbezogene Berufsausübung von Muslim_innen in Deutschland verringert werden.

Im Zuge seiner Empfehlung hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung Drittmittel für die Errichtung von Instituten an fünf Hochschulstandorten zur Verfügung gestellt. Mit der Zeit ist die Anzahl der Standorte, die Forschung und Lehre im Fach Theologie oder Religionspädagogik anbieten, von ursprünglich fünf angewachsen. Derzeit wird die Islamische Theologie über Bundes- oder Landesmittel an mehreren deutschen Universitäten angeboten, darunter in Frankfurt, Tübingen, Münster und Osnabrück. Etwa 40 Professuren für Islamische Theologie und Religionspädagogik gestalten heute (Stand 2025) federführend Forschung und Lehre der Fachdisziplinen an 11 Hochschulen in Deutschland.

Was sind Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Islamischen Theologie und der Islamwissenschaft?

Vor Errichtung dieser Standorte bildete der Islam auf Hochschulebene den primären Gegenstand der „Orientalistik“ bzw. der „Islamwissenschaft“. Diese befassten sich insbesondere aus philologischer, ethnologischer, historischer oder religionssoziologischer Außenperspektive mit der muslimischen Geschichte, mit Kulturen und Sprachen und weiteren Themen. Darüber wird der Islam insbesondere als Forschungsobjekt zur wissenschaftlichen Erkenntnisgenerierung unter einer Vielzahl an Fragestellungen durchleuchtet. Eine akademische Reflexion aus einer glaubensgebundenen Innenperspektive heraus in seiner gelebten Form und unter Berücksichtigung von Anwendungsfragen (wie Predigtlehre) erlaubt ein solcher Zugang nicht.

Im Unterschied zu religions- oder islamwissenschaftlichen Zugängen ermöglicht die Islamische Theologie und Religionspädagogik hingegen eine Beschäftigung mit dem Islam aus der Perspektive der Tradition selbst; theologische und religionspädagogische Fragen und die religiöse Praxis können mit Anschluss an rein glaubensbasierten Ansätzen heraus, aber auch weiterhin mittels methodischer Ansätze aus benachbarten Fachdisziplinen diskutiert werden. Seitdem profitieren beide Felder – die Islamwissenschaft und die Islamische Theologie – von der interdisziplinären Zusammenarbeit, da sich die theologischen Studien häufig historischer, kultureller und soziologischer Forschungsmethoden aus den Islamwissenschaften bedienen, während die Islamwissenschaft von den theologischen Erkenntnissen der glaubensbasierten Wissenschaft profitieren kann.

Inwieweit sind Lehrstühle der Islamisch-theologischen Studien und der Religionspädagogik an die islamischen Religionsgemeinschaften angebunden?

In Deutschland gibt es keine staatlich anerkannte, etablierte islamische akademische Institution für das Studium des Islam, die von Religionsgemeinschaften betrieben und etwa vergleichbar mit den Islamic Colleges im Vereinigten Königreich wären. Stattdessen gibt es nur kleine Ausbildungsformate oder -einrichtungen, die von einzelnen muslimischen Glaubensgemeinschaften betrieben werden, um ihr jeweiliges religiöses Personal auszubilden, wie beispielsweise die Ahmadiyya-Gemeinschaft oder der Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ). Für eine umfassende (glaubensbasierte) islamische Ausbildung auf akademischem Niveau mussten interessierte deutsche Muslim_innen bislang ins Ausland gehen.

Ähnlich der konfessionell-christlichen Theologien an deutschen Universitäten bietet die Islamische Theologie Muslim_innen einen Raum, sich akademisch mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen, zum Beispiel durch Exegese religiöser Texte oder das Studium islamischer Ethik, Philosophie, Ideengeschichte und praktischer Glaubensfragen. Anders als bei den christlichen Kirchen, die über eine institutionalisierte Verbindung zu den theologischen Fakultäten verfügen – etwa durch die Mitwirkung kirchlicher Vertreter in Berufungskommissionen und die gegenseitige Anerkennung theologischer Abschlüsse – gibt es für die sehr unterschiedlichen islamischen Religionsgemeinschaften keine direkte Anbindung an die akademischen Lehrstühle oder Fachgebiete. Die islamisch-theologischen Studien beherbergen unterschiedliche konfessionelle Ausrichtungen bzw. Strömungen des Islams (u.a. Sunna, Schia) und sind nicht wie im Falle der christlichen Theologien entlang der Konfessionen gegliedert. Zwar existieren in einigen Bundesländern Strukturen wie Beiräte, in denen Mitglieder aus muslimischen Verbänden und aus der weiteren Zivilgesellschaft vertreten sind und so eine Brücke zu den islamisch-theologischen Fachbereichen bilden sollen. Dennoch werden Berufungsvorgänge, Curricula und die inhaltliche Ausrichtung weitgehend ohne Abstimmung oder Zustimmung der Religionsgemeinschaften gestaltet.

Was ist die Rolle der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft?

Die 2017 gegründete Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität Frankfurt ermöglicht die standortübergreifende interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit innerhalb der Islamischen Theologie in Deutschland und schlägt Brücken zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft und den islamischen Gemeinschaften. Sie stimuliert Forschung sowie öffentliche Debatten über die Islamische Theologie, muslimische Belange sowie deren Relevanz für die Gesellschaft.