ITS-Colloquium zu Komparativer Theologie und Sozialer Arbeit
Im Rahmen des AIWG-Formats „ITS-Colloquium“ diskutierten Forschende aus Deutschland und dem europäischen Ausland in frühen Karrierephasen das Zusammenspiel von Religion, Theologie und sozialem Engagement.
Am 16. und 17. September 2025 fand an der Universität Paderborn das jährliche „International Meeting on Comparative Theology“ statt – in diesem Jahr unter dem Titel „Comparative Theology and Social Work“. Die Veranstaltung wurde im Rahmen des AIWG-Formats „ITS-Colloquium“ durchgeführt und bot engagierten Wissenschaftler_innen in frühen Karrierephasen aus der Komparativen Theologie und anderen theologischen Disziplinen eine Plattform zum interdisziplinären Austausch.
Im Zentrum stand die Frage, wie religiöse Traditionen, theologische Konzepte und interreligiöse Zusammenarbeit Impulse für die Soziale Arbeit geben können – und welche gesellschaftlichen Herausforderungen dabei sichtbar werden. Die Tagung griff damit relevante Diskurse an der Schnittstelle von Theologie und sozialen Tätigkeitsbereichen auf.
Theologische Reflexion trifft soziale Praxis
In dem ersten Panel – „Comparative Theology and Social Work?!“ untersuchten Hend Grine (Universität Bonn) und Ihtsham Ravi (Universität Utrecht) in ihren Vorträgen, wie komparativ-theologische Denkansätze das Feld der Sozialen Arbeit bereichern können und wo sie auf ihre Grenzen stoßen – etwa dort, wo ihre Theoriemodelle auf komplexe Realitäten religiöser Identität und Lebenswelten treffen. So zeigte Grine mit Bezug auf Karl Rahner und Nasr Hamid Abu Zayd, wie Theologie durch die Anerkennung eigener Grenzen dialogfähig wird. Ravi hingegen betonte, dass viele komparativ-theologische Ansätze noch immer in einseitigen Diskursen einer kognitiv geprägten Auffassung des Religionsbegriffs verhaftet seien und so die Vielfalt gelebter Religion in einem postkolonialen Kontext nur unzureichend erfassen. In Hinblick auf die Praxis sozialen Arbeitens führe dies zu Schwierigkeiten, da die Pluralität globaler religiöser Lebensvollzüge nicht in ausreichendem Maße ernst genommen werde.
Besonderes Augenmerk galt im nächsten Panel „(Comparative-)Theological Key Concepts and Social Work“ der Bedeutung zentraler anthropologischer und theologischer Begriffe, die in islamischen und christlichen Traditionen das soziale Handeln motivieren und in der Sozialen Arbeit eine Rolle spielen können. Durch die Beiträge von Gülbahar Erdem (Universität Paderborn), Tarik Eroglu (Universität Paderborn) und Consuelo Panichi (Universität Rom) wurden einerseits Konzepte zum Menschenbild der jeweiligen Religionen und die sich daraus ableitenden Prinzipien für das soziale Handeln dargestellt. Begriffe wie Gerechtigkeit, Verantwortung, Solidarität, Barmherzigkeit und Mitgefühl betonten eine soziale, aber auch eine spirituell-moralische Disposition. Eine komparativ entwickelte theologische Anthropologie ermöglicht es, diese Grundannahmen zum menschlich Sein zu reflektieren, ins Gespräch zu bringen und produktive Potenziale für die soziale Praxis zu erschließen. Die katholischen und islamischen Perspektiven, die in diesem Panel dargestellt wurden, zeigen auf, wie Fürsorge und soziales Handeln als zentraler Teil der religiösen Identität verankert sind. Der interdisziplinäre und interreligiöse Austausch ist ein Lernfeld für das eigene Denken und Handeln, wobei ein Wandel nicht nur auf Individuen zu beschränken ist, sondern kirchlich-strukturelle Kontexte ebenso einschließt wie neue Konzepte in den religiösen Communitys (z.B. Muslimische Seelsorge).
Interdisziplinäre Perspektiven aus der Praxis
Die Panels des zweiten Tages – „(Comparative) Theology, Pastoral Care & Psychosocial Support“ und „Comparative Studies on Social Spaces“ zeigten Praxisperspektiven. Diskutiert wurden unter anderem:
- die Chancen und Herausforderungen (inter-)religiöser Impulse in der psychosozialen Beratung in dem Beitrag von Sarah Lebock (Universität Paderborn),
- muslimische Herausforderungen und Desiderate einer religiös und kulturell sensiblen Begleitung in der deutschen Militärseelsorge und ihr Potenzial für interreligiöse Teamarbeit im Beitrag von Abdullah Günel (Universität Amsterdam)
- kulinarische Zugänge als Potenzial interreligiöser Konfliktfelder, aber auch als Türöffner für interreligiösen Dialog in dem Beitrag von Samuel Ramapuram (Universität Frankfurt)
- sowie das Zusammenspiel von Komparativer Theologie und schulischem Unterricht in konfessionell-kooperativen Bildungssettings von Marie-Luise Schlierkamp (Universität Paderborn).
Diese Beiträge zeigten eindrucksvoll, wie theologische Reflexion gesellschaftlich wirksam werden kann – in der Forschung ebenso wie in konkreten Handlungsfeldern. In den Diskussionen wurde immer wieder auf gegenwärtige gesellschaftliche und globale Herausforderungen Bezug genommen. Armut, Gewalt, Intoleranz, Diskriminierung und soziale Ungleichheit sind Themen, die in theologischen Diskursen und komparativ-theologischen Reflexionen Raum finden müssen. Die ethisch-spirituelle Haltung, Verantwortung, Sinn und Beziehung zum Anderen in den Mittelpunkt zu rücken und sie in den verschiedenen Ausformungen mitmenschlicher Solidarität erfahrbar zu machen, zog sich als Grundidee durch die gesamte Veranstaltung.
Organisiert wurde die Tagung vom Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften (ZeKK) und dem Paderborner Institut für Islamische Theologie (PIIT) an der Universität Paderborn, gemeinsam mit dem Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI) der Universität Bonn und der Theologischen Fakultät Paderborn (THF).
Die Beiträge des Meetings werden in einem Sammelband veröffentlicht.






