plugether-Abschlussfeier in Hannover
Am 15. und 16. November trafen sich die Teilnehmenden aller plugether-Workshops im Haus der Religionen in Hannover, um ihre TikTok-Videos zu feiern und über plurale Geschichte(n) zu lernen. Online wie offline.
Der bereits auf Vielfalt angelegte Veranstaltungsort bot den idealen Raum für das Nachdenken und Diskutieren darüber, wie sich Religion und gesellschaftspolitisches Engagement im Zeitalter von Social Media verändern, was unsere Rolle darin ist, und wie wir diverse Perspektiven sichtbarer machen können. Moderiert wurde die Veranstaltung von Seren Başoğul. Die Stadtführung Denk Mal an zu pluralen Stadtgeschichte(n) Hannovers am Sonntagvormittag bot einen Blick zurück und die Teilnehmenden entdeckten Spuren von marginalisierten Gruppen im Stadtbild.
Was TikTok-Content mit uns macht
Nachdem die Veranstaltung von Bekim Agai, dem Direktor der AIWG, feierlich eröffnet wurde, begann das Programm mit einem Gespräch über „Social Media und Religiosität“. Bei diesem berichteten Prof Dr. Anna Neumaier und OIe Rüter, beide vom CERES in Bochum, von den Ergebnissen der TikTok-Studie , die im Rahmen von plugether in Auftrag gegeben worden war. Die Content Creatorin Rosa Jellinek bereicherte die Diskussion mit ihren eigenen Erfahrungen. Das Besondere an der Studie ist, dass sie Content auf TikTok religionsvergleichend untersucht. Anna Neumaier und Ole Rüter, die sich auch auf die Suche nach „interreligiösen“ Inhalten auf der Social Media Plattform machten, betonten, dass die Kommentarspalten durchaus ein Raum sein können, in dem interreligiöse Ansätze vorhanden sind. Beispielsweise, wenn kommentiert wird: „Ich als Christ sehe das genauso.“ Neben der Produktion untersuchten sie auch die Rezeptionsseite von TikTok-Inhalten und legten mit ihrer qualitativen Studie wichtige Grundlagen für weitere Forschung in einem wenig erschlossenen Feld. Rosa Jellinek konnte sich als Content Creatorin in den Beobachtungen der Forscher_innen wiederfinden und berichtete auch von den Herausforderungen in ihrer Tätigkeit wie etwa Hasskommentaren und ihrem Umgang damit. Sie plädierte dafür, dass politische Akteur_innen, den Online-Raum sicherer machen sollten. Auch Ole Rüter vertrat, dass die Trennung zwischen online und offline, die die sozialen Medien potenziell zu einem rechtsfreien Raum machen könne, zu hinterfragen sei.

Publikumsliebling prämiert
An das impulsreiche Gespräch folgte die Vorstellung und Würdigung der insgesamt 17 TikTok-Videos, die in den zwei Projektjahren entstanden waren. Der Rückblick auf die drei Workshopreihen und ihre Themen mündete in einer Publikumsabstimmung für das beste TikTok-Video anhand der Kriterien Kreativität, Kernbotschaft, gesellschaftliche Relevanz und Gesamtpaket. Die Prämierung bot nicht nur die Gelegenheit, mit den plugether-Teilnehmenden und Wissenschaftler_innen ins Gespräch zu kommen, sondern sich auch jahrgangsübergreifend miteinander zu vernetzen.
Das auf dem plugether-TikTok Kanal meist geklickte Video zur Frauengesundheit wurde auch als Publikumsliebling gekürt. Andere bewegende Themen, die beim Publikum ebenso auf Resonanz stießen, waren der Zusammenhang von KI und Religion oder ein Vergleich dazu, wie der Ramadan in Deutschland und Ägypten erlebt wird. Die Creatorin des beliebtesten TikTok-Videos erhielt ein Buch, mit dem sie sich selbstständig zum Thema Content-Erstellung für TikTok weiterbilden kann.

Sehen, Hören, Fühlen: Multimediale Einblicke in neun Religionen
Ein Highlight bildete das Gespräch mit Sören Rekel-Bludau zum Haus der Religionen mit anschließender multimedialer und interaktiver Entdeckungsreise durch neun Religionen und Weltanschauungen. Herr Rekel-Bludau, Religionswissenschaftler und Beauftragter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Haus der Religionen, erzählte von der Geschichte des interreligiösen Dialogs in Hannover und dem Wunsch danach, Dialogformate an einem gemeinsamen Ort zu verstetigen. Dies führte in den 1990er- und 2000er-Jahren zur Errichtung des Hauses der Religionen mit Unterstützung der Stadt Hannover und weiterer Akteur_innen. Das Haus der Religionen ist weiterhin in engem Austausch mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften und entwickelte die aktuelle Dauerausstellung in Zusammenarbeit mit ihnen. Das Ergebnis: neun eindrückliche Räume, in denen über Sounds, Bilder, Alltagsgegenstände, Zitate aus heiligen Schriften und Interviews mit Angehörigen aus den einzelnen Religionsgemeinschaften die jeweilige Religion erfahrbar und greifbar wird. „Uns war wichtig, zu zeigen, wie die Gemeinschaften in Hannover ihre Religion subjektiv erleben und was sie jeweils als die wichtigsten Punkte ansehen, die alle gehört und gesehen haben sollten, wenn sie wieder gehen“. Die Eindrücke aus den Räumen bildeten dann auch die Grundlage für spannende Gespräche zwischen den plugether-Teilnehmenden.
Stadtgeschichte plural erinnern
Ebenso multimedial und interaktiv ging es am Sonntag weiter bei der Führung zu pluralen Stadtgeschichte(n) Hannovers mit Julius Matuschik und Dariush Safaei vom Cameo Kollektiv. Das Cameo Kollektiv, das mit Mitteln der kulturellen und politischen Bildung gesellschaftliche Vielfalt aufzeigen will, führte die Teilnehmenden durch verschiedene Epochen der Stadt und machte dabei wenig erzählte Geschichten sichtbar: Von der ersten muslimischen Bestattung im Jahr 1683 über das Zeitalter des Jazz, das in Hannover begann, Protestsongs in diversen Sprachen und Protestbewegungen in verschiedenen Teilen der Stadt wie am Ni una menos Platz, bis hin zum ersten Kurs zu queerer Liebe an der VHS. Einen tiefen Riss durch die plurale Gesellschaft zog die NS-Zeit, wie Julius Matuschick betonte. Trotz des Regens fesselte die interaktive Führung die Teilnehmenden: An verschiedenen Stationen konnten sie beispielsweise Musik der Punkband Blitzkrieg auf einem Hotkoffer anhören, mit Kreide ihre politischen Forderungen und ihre Standpunkte auf dem Boden anbringen, und beim Spazieren über digital abrufbare Interviews mit Hannoveraner_innen oder Protestsongs weitere Perspektiven kennenlernen.
Das Wochenende stand auf vielen Ebenen ganz im Zeichen von Pluralität. Zugleich verdeutlichte es eindrucksvoll, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, Pluralität sowohl online als auch offline sichtbar zu machen. Die Teilnehmenden blickten nicht nur auf ein Wochenende voller bereichernder Begegnungen und Gespräche zurück, sondern auf fast zwei Jahre plugether.

Das Projekt „Jugend, Religion und Gesellschaft“, kurz #plugether, ist im Jahr 2024 gestartet und wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, zugleich Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus. Engagierte junge Leute aus ganz Deutschland lernten einander kennen, tauschten sich über ihre vielfältigen religiösen Perspektiven aus und diskutierten über gesellschaftsrelevante Themen, die ihnen wichtig sind.







