Einleitung
Auch, wenn Recht und Theologie sich schon früh in eigenständige Subsysteme islamischer Wissenschaft ausdifferenziert haben, kann man in der gesamten islamischen Geistesgeschichte eine wechselseitige Beeinflussung beider Seiten erkennen. Das Recht wird durch theologische Vorgaben und systematische Begründungsleistungen beeinflusst. Die Theologie verändert sich durch die Rechtsphilosophie und wird durch Rechtsdiskurse geerdet. Oft sind die Rechtsgelehrten zugleich auch theologisch versiert, so dass die wechselseitigen Beeinflussungen nur selten bewusst geschehen und erst durch den analytischen Zugriff auf ihre Arbeiten sichtbar werden. Daher sind die Wechselwirkungen von Recht und Theologie nur selten auf der Oberfläche erkennbar und im islamisch-theologischen oder auch islamwissenschaftlichen Denken wenig reflektiert.
Die AIWG Shortterm-Forschungsgruppe „Zur Dynamik der Tradition. Die Beziehung zwischen Recht und Theologie“ möchte diese verborgenen Interdependenzen ans Tageslicht bringen, indem sie in einem Längsschnitt repräsentative Stationen islamischer Gelehrsamkeit betrachtet. Dabei sollen Rechtsgelehrte aus der schafi’itischen und malikitischen Rechtsschule, die aus unterschiedlichen theologischen Schulen und Regionen kommen, verglichen werden.
Ziele
Ziel des Forschungsvorhabens ist es herauszufinden, wo Wechselwirkungen zwischen beiden Disziplinen bestehen und wie diese funktionieren. Durch diese textanalytische und forschungsgeschichtliche Arbeit hofft die Forschungsgruppe zeigen zu können, wie überzeugend die islamische Tradition sowohl im rechtlichen als auch im theologischen Bereich diskursiv begründet ist. Deutlicher als bisher soll herausgestellt werden, dass die islamischen Rechtsbestimmungen einer theologischen und ethischen Begründung fähig sind und in der Tradition oft durch diese beeinflusst wurden. Zudem wird sich zeigen, wie vielfältig die Reflexion muslimischer Glaubensinhalte durch Praxis und Recht geprägt ist, so dass ihre Verankerung im Alltag der Glaubenden sichtbar wird.
Wissenschaftlicher Output
Geplant sind Veranstaltungen wie unter anderem eine Tagung, deren Ergebnisse in einem Sammelband dokumentiert werden sollen. Zudem werden die Ergebnisse des Forschungsprojektes in Form wissenschaftlicher Artikel in einem Peer-Review Journal veröffentlicht.
Transfer
Das Forschungsvorhaben hat eine unmittelbare Relevanz für das Verständnis von religiösen Geboten von Muslim_innen. Eine Vermittlung der erarbeiteten Inhalte des Projektes kann in Form von Workshops, Podcasts oder YouTube-Videos für Imame und Gemeinden erfolgen.
Projektleitung
Prof. Dr. Maha El Kaisy-Friemuth, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Jun. Prof. Dr. Muna Tatari, Universität Paderborn
Dr. Idris Nassery, Universität Paderborn
Projektlaufzeit: Dezember 2019 – Dezember 2021