Die Theologie der Praxis und die Praxis der Theologie
Vom 7. bis 8. Oktober haben wir mit dem sechsten digitalen AIWG-Workshop unsere Reihe erfolgreich abgeschlossen. Der für 2020 vorgesehene AIWG Kongress wurde aufgrund der Pandemie ausgesetzt. Als allmählich klar wurde, dass auch im Folgejahr keine Präsenzveranstaltungen stattfinden würden, haben wir die digitale Workshop-Reihe ins Leben gerufen, um den standortübergreifenden Austausch zur Arbeit und Forschung in den islamisch-theologischen Studien inmitten einer Pandemie zu ermöglichen.
Im letzten Workshop mit dem Titel „Islam in der Praxis – Praxis im Islam“ unter der Leitung von AIWG-Geschäftsführerin Dr. Raida Chbib und Dr. Ayşe Almıla Akca aus dem Berliner Institut für Islamische Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin ging es neben inhaltlichen Fragen zur praxisbezogenen Forschung innerhalb der islamisch-theologischen Studien auch um die übergeordnete Frage nach der Notwendigkeit der Etablierung einer Subdisziplin für religiöse Praxisforschung im islamisch-theologischen Fächerkanon. Ein Beispiel dafür ist die islamische Religionspädagogik. So argumentierte Prof. Dr. Jörg Imran Schröter von der PH Karlsruhe, die Aufgabe dieser wissenschaftlichen Fachdisziplin liege nicht nur darin, islamische Theologie in die Praxis zu vermitteln, sondern diese auch von der praktischen Basis her mit zu prägen und neu zu deuten.
Prof. Dr. Serdar Kurnaz von der HU Berlin kritisierte, dass die religiöse Praxis noch zu häufig im normativen Diskurs des Islamischen Rechts zu verorten sei. Er beobachtete, dass diese Diskurse häufig darauf abzielten, religiöse Praxis von Muslim_innen islamisch zu legitimieren, anstatt zu erforschen, wie Menschen Praxis als religiös markieren und wie sie diese ausgestalten.
Dr. Akca erläuterte, dass die Praxis von Muslim_innen in der Forschung aus der Perspektive der Normenlehre entweder als diskursives Wissen oder als Anwendungsfeld theologischen Wissens betrachtet werde. Sie plädierte dafür, religiöse Praxis als soziale Praxis wahrzunehmen, die mit Sinn ausgestattet ist, denn dadurch eröffneten sich vertiefende Perspektiven auf sowohl historische als auch gegenwartsbezogene Praxisformationen. So könnten religiöse Habitualisierungen identifiziert werden, deren Analysen uns u.a. über Prozesse der theologisch relevanten religiösen Sinnstiftung und der Normativierung in und durch die Praxis informieren. Hierfür brauche es eine Methodologie der Praxis der islamischen Religion und ausgefeilte empirisch-analytische Methoden.
Zum Abschluss warf AIWG-Direktor Prof. Dr. Bekim Agai einen Blick zurück auf unsere Workshop-Reihe und die Themenbögen, die wir dabei abbilden konnten, sowie einen Blick nach vorn auf die Veranstaltungen und den Austausch, den wir noch planen.