Welche Auswirkungen hat Corona auf die Digitalisierung religiöser Gemeinden?
Die AIWG hat am 25. Oktober unter dem Titel „Digitalisierung religiöser Gemeinden. Erfahrungen und Entwicklungen“ ihren 23. Roundtable veranstaltet. An dem mittlerweile zehnten digitalen Roundtable nahmen 17 Wissenschaftler_innen, Vertreter_innen jüdischer und christlicher Religionsgemeinschaften sowie Vertreter_innen der muslimischen Zivilgesellschaft teil.
Nach der Begrüßung durch die AIWG begann der Roundtable mit drei Kurzimpulsen dazu, wie jüdische, christlich-evangelische und muslimische Gemeinden auf die Herausforderungen der Corona Pandemie reagiert und welche digitalen Lösungen sie dabei erarbeitet haben. Anastasia Quensel betonte in ihrem Beitrag zur Digitalisierung in der jüdischen Gemeinde Frankfurt, dass die Erreichbarkeit der Gemeindemitglieder zunächst im Vordergrund stand. Die Gemeinde aktualisierte nicht nur Webseite und Newsletter, sondern ging auch neue Wege etwa mit einer eigenen Gemeindeapp. Vieles konnte durch kreative Lösungen aufgefangen werden, jedoch sei nicht alles digitalisierbar. Jüdische Feiertage etwa, an denen keine technischen Geräte verwendet werden dürften. Auch Dr. Christiane Bindseil, Pfarrerin der evangelischen Bonhoeffer-Gemeinde Heidelberg, betonte, dass man durch die Corona Pandemie viel über Digitalisierung gelernt und neue Lösungsmöglichkeiten entwickelt habe. Digitale Kirchencafés, Gottesdienste, und Taufen bis hin zu neuen Beteiligungsformaten seien hier nur einige Beispiele, mit denen man gute Erfahrungen gemacht habe. Gleichzeitig seien auch in ihrer Gemeinde religiöse Feste wie das gemeinsame Abendmahl schwer bis nicht digitalisierbar.
Nicht alle religiösen Rituale lassen sich ins Digitale übertragen
Samira Tabti vom Centrum für religionswissenschaftliche Studien der Ruhr Universität Bochum stellte abschließend ihre Ergebnisse zu Moscheegemeinden im Netz vor. Auch hier werde die Digitalisierung positiv wahrgenommen. Moscheegemeinden digitalisierten beispielsweise Korankurse oder Verwaltungsstrukturen. Folgende Fragen stellten die Gemeinden jedoch vor Herausforderungen: Welche Aspekte des religiösen Lebens der Gemeinde sind digitalisierbar? Welche Ressourcen, welche Technik und welche Medienkompetenz sind dafür erforderlich?
Im zweiten Teil des Roundtable ging Daniel Hörsch vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung auf die Ergebnisse zweier Studien ein, welche er im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) durchgeführt hatte. In seinem Impulsvortrag zu digitalen Verkündungsformaten in der Corona Pandemie betonte er, dass in den untersuchten Gemeinden YouTube der meistgenutzte digitale Kanal sei. Digitale Formate würden überwiegend von Pfarrer_innen initiiert, wobei sich zeige, dass die Aspekte, mit denen gute Erfahrungen im digitalen Raum gemacht wurden, anschließend, auf Präsenzveranstaltungen übertragen würden. Alle Gemeinden stellen sich aktuell die Frage, wie sie in allen Formaten mehr Interaktivität herstellen können.
Digitalisierung stellt jüdische, christliche und muslimische Gemeinden vor ähnliche Herausforderungen
In der abschließenden Diskussion zeigte sich, dass es viele Gemeinsamkeiten bei der Herausforderung gibt, religiöse Gemeinden und religiöses Leben, zu digitalisieren. Dabei wurden kreative und neue Wege gefunden, die auch einen Mehrwert für die eigenen Gemeinden darstellen. So förderten digitalisierte Formate die Inklusion und Teilhabe von Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien. Gleichzeitig zeige sich, dass es teils kontroverse theologische Diskussionen über digitalisierte religiöse Rituale und Formate gebe. Der Austausch zwischen Wissenschaftler_innen und Akteur_innen aus der religiösen praktischen Gemeindearbeit verdeutlichte an mehreren Stellen der Diskussion den Forschungsbedarf, das Thema religionsübergreifend zu bearbeiten.