Internationale Expert_innen diskutieren über Ethik in der Islamischen Theologie
Die AIWG Shortterm-Forschungsgruppe „Wege zu einer Ethik“ hat am 28. und 29. Juli 2022 ihre internationale Abschlusskonferenz „Doing Ethics in Islamic Theology“ an der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt. Dabei beleuchteten die 16 Referent_innen aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Saudi-Arabien, Qatar und Deutschland in ihren Beiträgen unterschiedliche Aspekte der islamischen Ethik.
Die von Prof. Dr. Mira Sievers und Prof. Dr. Serdar Kurnaz, beide von der Humboldt-Universität zu Berlin, sowie Prof. Dr. Rana Alsoufi, Universität Frankfurt am Main, organisierte Konferenz war in zwei Themenschwerpunkte unterteilt. Dabei tauschten sich die Studierenden und Wissenschaftler_innen sowohl zu grundlegenden theoretischen Fragen als auch zu Fallstudien aus dem Bereich der Sexualethik aus, der als exemplarisch angewandter Bereich im Mittelpunkt stand.-Den Anfang machte Prof. Dr. Kevin Reinhart, University of Dartmouth. In seiner Keynote Lecture gab er einen Überblick über das Feld der islamischen Ethik und setzte sich, mitunter sehr kritisch, mit der zunehmenden Fülle an islamisch-ethischen Beiträgen auseinander, indem er eine oft sehr inflationäre und unbestimmte Verwendung des Ethikbegriffs kritisierte. Darauf folgten drei Panels zu „Ethik und Rationalität“, „Ethik und Anthropologie“ und „Gender, Ethik und Islam“ statt. Zu den Referent_innen gehörten unter anderem Prof. Dr. Ayman Shihadeh, University of London, und Prof. Dr. Zahra Ayubi, Dartmouth College.
Der zweite Tag war der Sexualethik gewidmet. Nach einem Panel zur „Queer-Ethik“ ging es in vier Beiträgen vor allem um die „Ethik der Ehe“, bevor der Blick auf moralische Fragen im Kontext von „Solo-Sex“ gerichtet wurde. So beschäftigte sich Prof. Dr. Marion Holmes Katz, University of New York, in ihrem Beitrag mit den unterschiedlichen Perspektiven auf die Ehe in der aḫlāq-Literatur und im islamischem Recht. Prof. Dr. Mohammed Ghaly (Qatar) untersuchte abschließend am Beispiel von „Sexbots“ den Übergang von Sexualethik zu den moralischen Herausforderungen des digitalen Zeitalters.
Die vier im Rahmen des AIWG-Projekts „Wege zu einer Ethik“ entstandenen Studien wurden ebenfalls im Rahmen der Konferenz vorgestellt und intensiv diskutiert. Die Projektmitarbeiter_innen Fatma Ayyıldız und Bahattin Akyol, beide von der Humboldt-Universität zu Berlin, stellten ihre Studien zur Ethik der Ehe vor und diskutierten aktuelle Fragen des Eheverständnisses und der Polygamie unter Einbeziehung der vormodernen Gelehrten Ṭāšköprīzāde und al-Māwardī.
Die Projektmitarbeiter_innen Dr. Dr. Mehrdad Alipour und Selma Schwarz, beide von der Universität Frankfurt, beschäftigten sich mit Fragen der Homosexualität und Intergeschlechtlichkeit, jeweils im Gespräch mit klassischen Quellen von aš-Šarīf al-Murtaḍā und al-Baġawī.
Übergreifende Einsichten ergaben sich im Laufe der Konferenz im Hinblick auf die Bedeutung einer Konzeption der Ethik, die unterschiedliche Disziplinen miteinbezieht. Eine Reihe von Beiträgen konnte nachweisen, wie sehr sich die disziplinären Perspektiven in der Zusammenschau ergänzen und so ein genaueres Bild der Tradition liefern, auf die für gegenwärtige Fragen zurückgegriffen werden kann.
Die drei Projektleiter_innen zogen zum Abschluss der Konferenz ein positives Fazit: „Besonders erfreulich waren die intensiven Diskussionen der Konferenzteilnehmer_innen vor, nach und zwischen den Vorträgen“, hielt Prof. Dr. Rana Alsoufi fest. Dem pflichtete Prof. Dr. Serdar Kurnaz bei: „Der Bedarf nach Austausch zur Ethik ist hoch und bleibt auch nach dem Projektende bestehen.“ In diesem Sinne ist eine Fortführung der Forschungen zur Ethik bereits in Planung. Die Projektergebnisse der AIWG Shortterm-Forschungsgruppe „Wege zu einer Ethik“ erscheinen Anfang 2023 in der Herausgeberschaft der Projektleiter_innen als Sammelband beim Nomos-Verlag.
Weitere Informationen zur AIWG Shortterm-Forschungsgruppe sind hier zu finden.