Plugether goes TikTok
Unter diesem Motto stand die plugether-Veranstaltung mit Exkursionsprogramm, die vom 16. bis 18. Januar in Berlin stattfand. Gemeinsam mit den Teilnehmenden feierten Kooperationspartner_innen, das Projektteam sowie weitere Gäste die TikTok Videos, die im Projekt entstanden sind. Während der Abschlussfeier erhielten die Teilnehmenden ihre plugether Zertifikate.
Das politische Berlin erleben – ein Besuch im Bundeskanzleramt
Um Förderstrukturen, politische Prozesse und Entscheidungsfindungen zu verstehen, kamen wir mit Max Grösbrink vom Referat AS 2 – Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft ins Gespräch. Es ging dabei um die Themen Religion, Antidiskriminierung, interreligiöser Dialog. Besonders wichtig war den Teilnehmenden zu fragen, wie es nach der Bundestagswahl weitergeht. Sie beobachten das politische Klima, nehmen Unsicherheiten wahr und machen sich Gedanken, ob Safe Spaces erhalten bleiben. Sie wünschen sich eine andere Dialogkultur, in der Rassismen benannt und anerkannt werden und sie wollen auch wissen, was die Regierung gegen den Abbau von Rassismus konkret tut. Anknüpfungspunkte aus den eigenen Lebensrealitäten gab es beim Sport und der Frage, wie Sportarten, die vornehmlich weiß geprägt sind, diverser und rassismusfreie(re) Räume werden können. Max Grösbrink ermutigte unsere Teilnehmenden zur Eigeninitiative, ihre Anliegen den Wahlkreisabgeordneten mitzuteilen, damit diese ihre Themen kennen und sich dafür einsetzen können. Unsere Gesellschaft bräuchte das Engagement junger Menschen.
Nur im Miteinander und auf Augenhöhe werden Ideen für unsere Gesellschaft wirksam
Das politische Berlin ist ebenso eine Stadt voller gelebter Vielfalt, ganz im Sinne von plugether, würdigte die Geschäftsführerin der AIWG, Dr. Raida Chbib, den Veranstaltungsort als Gastgeberin bei der Begrüßung. Chbib regte in ihrer Begrüßung dazu an, über Lebenswelten und Communitys hinweg gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen unserer Gesellschaft zu finden: „Nur im Miteinander und auf Augenhöhe werden Ideen für unsere Gesellschaft wirksam. Plugether bietet die Gelegenheit, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Das Projekt ist mit einem neuen Aspekt verbunden: TikTok. Die Plattform ist zu einer der am stärksten einwirkenden Lebensrealitäten geworden und DAS Leitmedium einer kommunikativen Generation. Dies kann jedoch zu Spaltungen und starken Emotionen führen, insbesondere in Bezug auf Minderheiten oder Religion. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, TikTok und andere Kurzvideodienste als Plattformen für mehr gemeinsame Beiträge, die verbinden, zu nutzen.“
Neue Räume gemeinsam austesten und zusammenbleiben
Laura Kolland, die Referatsleitung von AS 2 – Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft, betonte in ihrer Rede auf der Veranstaltung die Wichtigkeit von Dialog und Austausch sowie von Zuhören, ein Aspekt, der oft vernachlässigt werde. „In den letzten Jahren ist deutlich geworden, was Dialog möglich macht: Man wirkt gemeinsam der Spaltung entgegen. Neue Räume dafür muss man allerdings erst gemeinsam ausprobieren. Zu den neuen Räumen gehören auch die Sozialen Medien, die aber nicht automatisch auf Dialog ausgelegt sind. Algorithmen sorgen dafür, dass Follower_innen sich vermehrt in Bubbles aufhalten.“ Damit man nicht in den eigenen Echokammern verbleibt, sollte man sich wie die plugether-Teilnehmenden auch in der analogen Welt treffen, dies zeigte Projektleiterin Catharina Iyer mit einem Rückblick auf 2024. Wie die plugether-Gruppe den „neuen“ Raum TikTok für sich genutzt hat, davon konnte sich das Publikum dann selbst ein Bild machen: Die abgespielten TikTok-Videos verdeutlichten, dass anstelle spalterischer Inhalte auch Dialog im Vordergrund stehen kann. Die plugether TikTok Videos stehen sichtbar für das große Engagement sämtlicher plugether Teilnehmer_innen und sind auf dem plugether TikTok Kanal zu finden.
Jun.-Prof. Constantin Wagner begleitete plugether wissenschaftlich und führte im Rahmen des Projektes eine Evaluation durch. Im Fokus standen dabei Fragen der Wahrnehmung von Religionen sowie die unterschiedlichen Ebenen und Motivationen der Teilnehmenden für ihr Mitwirken bei plugether. Er stellte die Ergebnisse seiner Beobachtungen auf dem Event vor und sprach von plugether als einem ambitionierten Projekt, das natürlich zeitliche Grenzen habe, es aber auch Vertrauen brauche, um in interreligiösen Austauschformaten nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern wirklich Auseinandersetzungen zuzulassen.
Ausgehend von den Videos entwickelte sich dann eine Diskussion um „Religion auf TikTok“ mit Prof. Dr. Anna Neumaier vom Centrum für religionswissenschaftliche Studien der Ruhr-Universität Bochum und ihrem Team. Von ihnen erfuhren die Teilnehmenden, wie mit innovativen Verfahren religiöse Videoinhalte auf Social Media erforscht werden und welche Erkenntnisse dazu bislang vorliegen.
Zurück ins analoge Leben holte die Zuschauer_innen der Comedy-Auftritt von Gülcan Cetin, die seit vielen Jahren als Content Creator_in auf Social Media aktiv ist. Ihre humorvollen Anekdoten vermittelten jedoch auch einen ernsten Kern. Nicht nur als muslimisch (gelesene) Frau begegnet sie Vorurteilen und Rassismus im Alltag, sondern auch in ihrem Beruf als Ärztin.
Die feierliche Zertifikatsverleihung bildete den krönenden Abschluss des offiziellen Programms. Abwechslungsreich moderierte Seren Başoğul, selbst AIWG-Alumna, durch den Nachmittag. Anschließend hatten die Teilnehmenden beim gemeinsamen Abendessen und Ausklang die Möglichkeit, sich weiter zu vernetzen.
Begegnung und Dialog stehen im Vordergrund
Zum Abschluss der Berlin-Exkursion besuchte die plugether Gruppe das House of One, ein Haus der Begegnung für Judentum, Christentum und Islam, das sich derzeit im Bau befindet. Das Gebäude wird sowohl eine Synagoge, als auch eine Kirche und eine Moschee beheimaten. Die theologischen Referent_innen, Osman Örs und Patricia Böckmann, stellten das Projekt vor und beantworteten die Fragen der plugether Teilnehmenden. Neben der interreligiösen Begegnung soll das House of One auch ein Ort der interkulturellen Begegnungen und des Austauschs werden. Dies wirft jedoch Fragen dazu auf, wie Vielfalt abgebildet werden kann und stellt vor Herausforderungen. „Wir sehen uns alle als Stück des bunten Mosaiks unserer Traditionen, das wollen wir auch im House of One sichtbar machen“, so Osman Örs.