„Islam“ als Beruf? AIWG veröffentlicht Studie zum Berufseinstieg von Absolvent_innen der islamischen Theologie und Religionspädagogik
Frankfurt am Main. Welchen Beruf ergreifen Absolvent_innen der islamisch-theologischen Studien, nachdem sie ihr Studium abgeschlossen haben? Dazu gibt es jetzt erstmals eine Studie, erstellt von der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität gemeinsam mit den Universitäten Gießen und Mainz. Die Ergebnisse der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Studie werden heute in der Publikationsreihe „WiFo paper“ der Akademie veröffentlicht.
Bis zu 2.500 junge Menschen studieren an deutschen Universitäten islamische Theologie oder Religionspädagogik. Doch wo arbeiten die Absolvent_innen im Anschluss an ihr Studium? In der Schule, als Imam, in der Sozialen Arbeit, oder in den Medien? Dieser Frage ist ein interdisziplinäres Team von Forscher_innen der Universitäten Gießen, Mainz und Frankfurt nachgegangen. Die qualitativen und quantitativen Ergebnisse der Verbleibstudie „Berufsfeld Islam“ hat die AIWG nun in ihrem Publikationsformat WiFo paper herausgegeben.
Für die Studie befragten die Wissenschaftler_innen über 200 Absolvent_innen der universitären islamisch-theologischen Standorte in fünf Bundesländern: Welche Berufe haben sie mit dem Islam-Studium ergriffen? Wie gut fühlen sie sich durch ihr Studium auf die Arbeitswelt vorbereitet? Und welche Faktoren begünstigen den Berufseinstieg?
Die Ergebnisse zeigen erstmals auf, für welche Berufsbilder die 2011 an deutschen Universitäten eingeführten islamisch-theologischen Studien qualifizieren.
Soziale Arbeit und Schuldienst sind wichtige Beschäftigungsfelder
Zentrale Erkenntnisse der Studie „Berufsfeld Islam“ sind:
- Fast die Hälfte der Absolvent_innen ist in der Sozialen Arbeit oder verwandten Berufsfeldern beschäftigt. Weitere 40% arbeiten in pädagogischen Handlungsfeldern. Kaum eine der befragten Personen ist hingegen hauptberuflicher Imam geworden.
- Auf das Studium der islamischen Theologie oder Religionspädagogik blicken weite Teile der Befragten als eine Phase der intellektuellen und persönlichen Entfaltung zurück. Gleichzeitig hätten sich viele Absolvent_innen eine fachlich passendere Vorbereitung auf ihre späteren Tätigkeiten gewünscht.
- Lehramtsabsolvent_innen würden ihren Studiengang zu zwei Dritteln wieder wählen. Ihnen bietet sich nach dem Studium ein relativ klares Berufsbild und ein geregelter Übergang in den Schuldienst. Sie berichten allerdings häufig von erhöhten strukturellen Hürden und Belastungen, da sich der islamische Religionsunterricht noch im Aufbau befindet.
- Von den Absolvent_innen mit theologischem Schwerpunkt würde hingegen weniger als die Hälfte noch einmal dasselbe studieren. Sie müssen sich nach dem Studium Berufsbilder erschließen und sind in den ersten Jahren zumeist befristet beschäftigt. Ihre Erwerbsquote liegt allerdings auf dem Niveau von Absolvent_innen anderer Geisteswissenschaften.
- Grundsätzlich bringen sich die Absolvent_innen überdurchschnittlich in die Gesellschaft ein. Mehr als die Hälfte von ihnen engagiert sich ehrenamtlich. Insbesondere Absolvent_innen mit theologischem Schwerpunkt übernehmen häufig Verantwortung in religiösen und sozialen Einrichtungen.
„Mit der Verbleibstudie haben wir nun erstmalig wichtige, systematisch erhobene Informationen über den Berufseinstieg der Studierenden vorliegen. Dies kann dem Fach zur gezielten Weiterentwicklung der Studienangebote dienen. Zudem können die Ergebnisse der Studie dazu beitragen, dass Studierende und Studieninteressierte sich ein klareres Bild machen können, welche Möglichkeiten die Studiengänge bieten und welche zusätzlichen Schlüsselkompetenzen gerade in den Geisteswissenschaften wichtig sind für einen gelungenen Berufseinstieg“, kommentiert AIWG-Direktor Prof. Bekim Agai die Studienergebnisse.
„Die Studie legt nahe, auch praxisorientierte Studienangebote, beispielsweise berufsbegleitend im Master, anzubieten. Für einen erfolgreichen Berufseinstieg sind zudem Praktika, ehrenamtliches Engagement oder Auslandssemester hilfreich“, sagt Prof. Naime Çakir-Mattner von der Universität Gießen, die das Forschungsprojekt gemeinsam mit Prof. Constantin Wagner von der Universität Mainz geleitet hat.
Für die Studie wurden Absolvent_innen befragt, die zwischen 2016 und 2019 an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Frankfurt am Main, Gießen, Münster, Osnabrück und Tübingen einen B.A.-Abschluss oder ein Staatsexamen in Islamischer Theologie oder Religionspädagogik erworben hatten. Von den rund 570 Absolvent_innen dieser Kohorten nahmen über 200 Personen an der Studie teil.
Die Studie kann auf der Webseite der AIWG heruntergeladen werden unter: https://aiwg.de/wp-content/uploads/2022/11/WiFo-paper-Berufsfeld-Islam.pdf
Über die Projektleitung
Naime Çakir-Mattner ist Professorin für Islamische Theologie mit Schwerpunkt muslimische Lebensgestaltung an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem Migration, Gender und Religion, Islamfeindlichkeit und Rassismus, Islam und Muslime im europäischen Kontext.
Constantin Wagner ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Heterogenität an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Heterogenität und soziale Ungleichheit in der postmigrantischen Gesellschaft sowie Islam(verständnisse) im postkolonialen Europa. Er ist Autor der AIWG-Expertise „Wer studiert Islamische Theologie? Ein Überblick über das Fach und seine Studierenden“.
Über das AIWG WiFo paper
Die WiFo paper präsentieren Projektberichte, Positionspapiere und explorative fachliche Beiträge aus den Wissenschaftsformaten der AIWG. Sie greifen verschiedene islamtheologische Themen aus den universitätsübergreifenden Projekten auf und tragen damit zu fachwissenschaftlichen Diskursen und zum interdisziplinären Austausch bei.
Über die AIWG
Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität in Frankfurt ist eine Fachakademie, die bundesweit interdisziplinäre Forschung und Transfer in den islamisch-theologischen Studien und zum muslimischen Leben in Deutschland betreibt. Sie verbindet alle Hochschulstandorte der Islamischen Theologie und Religionspädagogik in Deutschland. In ihrer gesellschaftlichen Ausrichtung befasst sie sich unter Einbindung religionsbezogener Perspektiven mit Fragen von Teilhabe und Partizipation. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Stiftung Mercator.
Pressekontakt
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Koordinatorin Wissenschaftskommunikation
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E-Mail: golla@aiwg.de
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