Reading Weekend zur Gendergerechtigkeit im Islam
Am 16. und 17. Oktober hat das AIWG Reading Weekend „Gender Issues in Islam“ virtuell stattgefunden. Unter der Leitung von Dr. Farid Suleiman, Abteilung für Islamisch-Religiöse Studien an der Universität Erlangen-Nürnberg, tauschten sich die Teilnehmenden zur Gendergerechtigkeit im Islam aus. Lektüregrundlage bildeten Beiträge von Prof. Dr. Asma Barlas. Die Autorin, die als eine der führenden Stimmen in muslimischen Genderfragen gilt, begleitete das Reading Weekend persönlich.
Nicht nur in Gesellschaft und Politik, sondern ebenso in wissenschaftlichen Disziplinen nehmen Fragen zur Gendergerechtigkeit einen großen Raum ein. Dies gilt insbesondere für die Islamische Theologie in Deutschland. Was sich unter anderem darin zeigt, dass vor dem Hintergrund ihrer noch jungen Geschichte bereits recht viele Beiträge dazu veröffentlicht wurden. Fundierte Antworten auf Genderfragen zu entwickeln, die sowohl die gesellschaftlich-kulturellen Gegebenheiten in Deutschland berücksichtigen als auch eine theologisch nachvollziehbare Verbundenheit mit den Offenbarungsquellen bewahren, gehört zu den wichtigsten ausstehenden Aufgaben in der Islamischen Theologie. Um diese Herausforderung zu bewältigen, ist nicht allein der Austausch zwischen den einzelnen Standorten der Islamisch-theologischen Studien, sondern ebenso die Einbeziehung führender muslimischer Protagonist_innen der zeitgenössischen Debatte zu Islam und Gender wichtig.
Das Reading Weekend mit Asma Barlas bot hierfür eine sehr gute Gelegenheit.
Spätestens seit ihrer Monographie „Believing Women in Islam“ (erschienen 2002, überarbeitet 2019) gehört die pakistanisch-stämmige emeritierte Professorin am Ithaca College in New York zu den bedeutendsten und international bekanntesten Stimmen in der muslimischen Gender-Debatte. In den vergangenen Jahren hat sie zahlreiche Debatten mit Nasr Hamid Abu Zayd, Farid Esack, Kecia Ali, Aysha Hidayatullah and Raja Rhouni und vielen weiteren Wissenschaftler_innen geführt. Die Grundlage für das Reading Weekend bildete eine dieser Kontroversen, die im Jahr 2016 im Rahmen mehrerer, aufeinander Bezug nehmender Artikel in einer Sonderausgabe des Magazins „Journal of Feminist Studies“ ausgetragen wurde.
Koran nicht per se patriarchal
Asma Barlas vertrat darin die Ansicht, dass der Koran nicht an sich patriarchal sei, sondern von einer, durch Männer dominierten Exegese so interpretiert würde. Das Reading Weekend bot die Gelegenheit zu vertieften Diskussionen mit der Autorin, in denen zum Beispiel die Erschaffung von Adam und Eva oder die Opfergeschichte Abrahams beleuchtet wurden. Im Rahmen der Diskussion mit den Teilnehmenden zeigte sich, dass koranische Verse durch eine entsprechende Lesart tatsächlich anders als bislang aufgefasst werden können. So lassen sich im Koran gar Impulse finden, die vorher bestehende Narrative aus der biblischen Tradition auf eine Weise umformen, die gerade patriarchale Elemente entschärft oder gar obsolet macht.
Auf der anderen Seite haben einflussreiche Feminist_innen wie z.B. Kecia Ali und Aysha Hidayatullah dafür argumentiert, dass eine gendergerechte Lesart des Korans auf unüberwindbare Hürden stoße, die zu brechen nur dann möglich sei, wenn der Glaube vom Koran als Gotteswort aufgegeben werde. Denn dieser Glaube impliziere, dass der Koran eine der Geschichte enthobene Botschaft beinhalte und sich somit einer historisch-kritischen Interpretation entziehe. Sowohl Asma Barlas als auch die weiteren Teilnehmer_innen am Reading Weekend, so hat es die Diskussion gezeigt, sahen jedoch keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem Glauben an den Koran als Gotteswort und einer wie auch immer gearteten Interpretationsmethode.
Am Rande des zweitägigen Reading Weekends entstand auch ein Interview mit Asma Barlas, welches die AIWG demnächst veröffentlichen wird.