Religion und Umwelt zusammendenken
Passen islamische Theologie und Umweltschutz zusammen? Warum ist eine Verbindung zwischen Religionen und Umweltschutz wichtig? Und wie kann der Transfer aus der Theorie in die Praxis gelingen? Diese und andere Fragen haben unsere Mentees mit der Theologin Dr. Asmaa El Maaroufi beim digitalen MENTi-Austauschtreffen am 9. März 2022 diskutiert.
Seit Jahren bringen sich zivilgesellschaftliche Initiativen wie NourEnergy und HIMA in Debatten zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Und auch für Religionen und Theologien gewinnt das Themenfeld zunehmend an Bedeutung, wie Dr. Asmaa El Maaroufi, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Münster, in ihrem Impuls beim Austauschtreffen mit unseren Mentees unterstrich. Religiös geprägte Menschen könnten über Religion einen leichteren Zugang zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit finden, der ihre eigene Lebenswelt adressiert.
Doch lassen sich Ansätze aus den unterschiedlichen Traditionen der islamischen Geistesgeschichte gewinnen, die zu einem bewussteren Umgang mit der Umwelt und den Daseinsformen der Natur führen können? Auf reges Interesse stieß bei unseren Mentees hierbei vor allem die Frage, wie sie dieses Thema didaktisch im Religionsunterricht oder auch in der Religionsgemeinde vermitteln können. Anhand anschaulicher Beispiele erklärte Dr. El Maaroufi, dass die koranischen, prophetischen und rechtlichen Traditionen viele fruchtbare Anhaltspunkte böten.
Koranische Begriffe wie ḫalīfa – Beauftragter Gottes auf Erden – könnten beispielsweise dabei behilflich sein, die Stellung des Menschen auf Erden theologisch neu zu verhandeln und hierdurch das Verantwortungsbewusstsein des Menschen gegenüber der Schöpfung hervorzuheben. So habe es im Osmanischen Reich ein „Recht auf Trinken“ (ḥaqq as-šarab) gegeben, dass auch die Bereitstellung von Wasser für Tiere eingeschlossen habe. Durch Islamwissenschaftler_innen wie Prof. Seyyed Hossein Nasr seien in den 70er-Jahren dann erste Anläufe für die Konzeption einer systematischen, islamischen Umweltethik unternommen worden.
Doch warum ist es wichtig, eine Verbindung zwischen Religion und Umwelt herzustellen? Am Beispiel eines Wasserschutzprojekts einer Moscheegemeinde im jordanischen Mafraq, veranschaulichte Dr. El Maaroufi, dass die Verbindung von religiösen Werten mit dem Thema Umweltschutz zu einem umweltbewussteren Handeln führen kann. Die Moscheegemeinde habe eine Wiederverwendungsanlage für Wasser gebaut. Das Wasser, das für die rituelle Waschung vor dem Gebet genutzt werde, würde anschließend für die Bewässerung der Pflanzen im Vorhof der Moschee aufgespart werden. Diese Beispiele zeigten, so Dr. El Maaroufi, dass in vielen islamisch geprägten Ländern damals wie heute bereits sehr viel für den Umweltschutz getan werde.
Umweltdiskurs repräsentiert Engagement von Muslim_innen nur unvollständig
Dr. El Maaroufi kritisierte, dass die Themen Umwelt und Nachhaltigkeit in Schulen und in der allgemeinen Bevölkerung häufig fernab der Lebensrealität vieler Muslim_innen repräsentiert würden. Muslim_innen könnten sich oft nicht mit Umweltschutzthemen identifizieren. Einerseits würden Umweltschutz und Nachhaltigkeit in vielen Diskursen als ein „eurozentristisches“ Konzept dargestellt, andererseits fehle es an Sichtbarkeit von POC-Aktivist_innen im aktuellen Diskurs. Vor allem in Schulen sei an dieser Stelle ein kultursensibler Umgang wichtig, da Themen wie Ernährung oder Auslandsflüge zu Freunden und zur Familie eine soziale und emotionale Bedeutung haben können. Die Verknüpfung von Religion und Umweltschutz könnte die Schüler_innen zum Handeln motivieren.
Durch das Austauschtreffen mit Dr. El Maaroufi konnten die Mentees einen guten Überblick über die Zusammenhänge zwischen islamischer Theologie und Umweltschutz bekommen und eigene Möglichkeiten entwickeln, dieses Themenfeld in ihre beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten einzubeziehen.
Über das Mentoring-Programm der AIWG
Aktuell betreut die AIWG drei Jahrgänge in ihrem Mentoring-Programm MENTi. Insgesamt konnten bereits 50 Tandems erfolgreich zusammengeführt werden.
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