AIWG veranstaltet Roundtable zur „Religionspolitik der Vielfalt“
Die AIWG hat am 11. November 2021 in Berlin einen Roundtable zur „Religionspolitik der Vielfalt – Aktuelle Herausforderungen in einem Feld im Wandel“ veranstaltet. Die Expert_innenrunde, in der religionspolitische und –rechtliche Fragen diskutiert wurden, setzte sich aus Mitgliedern des deutschen Bundestags sowie aus staatsrechtlichen Universitätsinstituten, Stiftungen, Kirchen und Regierungsinstitutionen zusammen. Das Treffen fand im Vorfeld der Vorstellung der neu gegründeten „Experteninitiative Religionspolitik“ statt, die AIWG Direktor Prof. Dr. Bekim Agai mit gegründet hat.
Im Rahmen des Roundtables wurden fortlaufende und neue Dynamiken in religiösen Handlungsfeldern aus verschiedenen Perspektiven aufgezeigt und religionspolitische Ausgestaltungsmöglichkeiten erörtert. Die 22 Teilnehmer_innen stellten fest, dass es zunehmend schwieriger werde, verfassungsmäßige religionspolitische Maßnahmen vor dem Hintergrund sich wandelnder Einstellungen zu Religion in der Gesellschaft und starken Säkularisierungstendenzen öffentlich zu erklären und umzusetzen. Große Veränderungen bringe etwa der Trend zur Entkirchlichung durch den Mitglieder- und Finanzschwund der größten historisch etablierten Institutionen im Religionsfeld. Die veränderte Religiosität innerhalb der Bevölkerung ließe Religion als noch kontroverser erscheinen als früher, und dies mache die Durchführung religionsfreundlicher politischer Maßnahmen im Sinne des Verfassungsrechts, zum Beispiel die Umsetzung des monokonfessionellen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, besonders kompliziert.
Die Einführung islamtheologischer Studien an deutschen Hochschulen sei zwar als Erfolgsgeschichte zu werten, aber mit einem zähen Ringen verbunden gewesen, zumal die Frage der Kompatibilität des Islams mit der deutschen Verfassungsordnung weiterhin im Raum stünde.
Letztendlich stellte sich in der Diskussion heraus, dass sich die Voraussetzungen und Annahmen, unter denen bislang politische Maßnahmen ergriffen wurden, gewandelt hätten.
Die von Staatsrechtlern formulierte Feststellung, Religionspolitik hinke dem Religionsrecht hinterher wurde unter Beteiligung von Teilnehmer_innen aus Ministerialverwaltungen kontrovers diskutiert.
Denn zukunftsgerechte Lösungen, die religiöse Vielfalt und neue Weltanschauungsgemeinschaften zu berücksichtigen, seien wichtig. Festgestellt wurde im Hinblick auf ausgewählte Fallbeispiele zudem, dass Verfahren zur rechtlichen Anerkennung von Glaubensgemeinschaften sehr langwierig seien. Die Ursachen hierfür wurden aber unterschiedlich eingeschätzt: Der Feststellung von Rechtsexpert_innen, Verfahren würden ungern betrieben und es werde auf Zeit gespielt, wurde entgegengehalten, dass Religionsgemeinschaften manchmal die Kriterien nicht erfüllten oder die Verfahren, wie bei anderen bürokratischen Prozessen auch, eben schlichtweg ihre Zeit bräuchten.
Der Roundtable zielte darauf ab, die Frage nach dem Verhältnis des Islams zum Staat stärker in die Diskussion zu religionspolitischen Entwicklungen einzubringen. Denn, wie Prof. Dr. Bekim Agai in seinem Beitrag zum religionspolitischen Blog der Experteninitiative Religionspolitik schreibt, braucht Islampolitik mehr Religionspolitik:
„Gewachsene Selbstverständnisse muslimischer und staatlicher Institutionen werden gleichermaßen hinterfragt und sicherlich sehr unangenehme Fragen adressiert. Wenn alte Modelle nicht funktionieren, dann müssen neue Regeln implementiert werden. Wichtig für beide Seiten ist es, zu hinterfragen, wozu das Feld der Religionspolitik da ist – nämlich dazu, die gemeinsamen Felder in Abgrenzung voneinander und in Bezug aufeinander zu gestalten.“ Bekim Agai
Über den AIWG-Roundtable
Der AIWG-Roundtable bietet eine Plattform für den intensiven, vertrauensvollen Austausch und die Entwicklung von Lösungen zu gesellschaftsrelevanten Fragen des Islams in Deutschland. Weitere Informationen finden Sie hier.