Muslimische Frauenorganisationen und zivilgesellschaftliches Engagement
Wie haben migrantische Menschen und Kollektive mit ihrem Engagement das gesellschaftliche Leben in Deutschland geprägt? Welche Rolle nimmt dabei speziell das Engagement von Musliminnen und muslimischen Frauenorganisationen ein? Und wie können zivilgesellschaftliche Organisationen nachhaltig gefördert werden? Über diese und andere Fragen haben unsere Alumnae, darunter ehemalige Mentees und AIWG-Praxisfellows, beim digitalen ALUMNi-Austauschtreffen am 19. Juni 2023 diskutiert.
Mit einem Einstiegsimpuls führte Fatima El Sayed, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin und AIWG-Praxisfellow, unsere Alumnae in die Landschaft der muslimischen Frauenorganisationen in Deutschland ein. Fatima El Sayed ermöglichte Einblicke in ihre wissenschaftliche Arbeit und teilte Erkenntnisse aus ihrem Praxisprojekt „Muslimische Frauenorganisationen als Akteur_innen sozialen Wandels in Deutschland“. Ihr Impuls regte die Alumnae dazu an, ihre persönlichen Erfahrungen aus ihrer zivilgesellschaftlichen Arbeit zu teilen und im Lichte der präsentierten Forschungserkenntnisse zu reflektieren.
Schon immer gesellschaftlich engagiert
Muslimische Frauen in Deutschland haben sich schon früh für Gleichberichtigung eingesetzt, berichtete Fatima El Sayed und betonte: sowohl in ihren eigenen Communities als auch in der Gesamtgesellschaft. Da muslimische Frauen durch ihr Geschlecht und ihre Migrationsgeschichte eine doppelte Marginalisierung erfahren, hätten sie zunächst Unterstützungsstrukturen und Räume für sich geschaffen. Diese Räume hätten sich danach zu Orten des zivilgesellschaftlichen Engagements entwickelt, die wie das Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e. V. (BFMF) mittlerweile institutionalisiert sind. Durch diverse Allianzen mit unterschiedlichen sozialen Träger_innen, wie dem Paritätischen Verband, hätten sich muslimische Frauenorganisationen heute zu postmigrantischen Akteur_innen weiterentwickelt. Neben ihren gesamtgesellschaftlichen Beiträgen, wie in der politischen Bildung, der Sozialen Arbeit und der Anti-Diskriminierungsarbeit, sei es den muslimischen Frauenorganisationen gelungen, auch Arbeitsplätze zu schaffen, die für marginalisierte Gruppen zugänglicher sind.
Ein Deutschkurs in Köln, organisiert vom Verein „Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen“ (BFmF ). Foto: Julius Matuschik
Im Anschluss an den Einstiegsimpuls wurde über die aktuelle Finanzierungssituation und den Aufbau von nachhaltigen Strukturen diskutiert. In diesem Zusammenhang verwiesen die Teilnehmerinnen auf die überwiegend ehrenamtlich geleistete Arbeit muslimischer Frauenorganisationen, die damit verbundenen Hindernisse, aber auch Chancen. Weitere Finanzierungsquellen sind Spenden, Mitgliedsbeiträge und Projektgelder. Wie Fatima El Sayed ausführte, sind Projektförderungen aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung allerdings für die Etablierung nachhaltiger Strukturen nur bedingt förderlich.
Auf die Frage, wie diese Strukturen gefestigt werden könnten, damit eine Finanzierung der zivilgesellschaftlichen Arbeit der Frauen auch über Jahrzehnte hinweg gewährleistet sei, antwortete Fatima El Sayed, dass in erster Linie der Staat diese Organisationen anerkennen und nachhaltig fördern müsse. Auch wenn der Institutionalisierungsprozess schwieriger sei, zeigte sich Fatima El Sayed optimistisch, da in den vergangenen Jahrzehnten organisationale Lernprozesse stattgefunden, die Organisationen sich professionalisiert und durch Kooperationen und Allianzen Unterstützung erfahren hätten. Allianzen seien ein wichtiger Kanal, um diskriminierende Strukturen zu überwinden und Zugänge zu Ressourcen zu schaffen. Des Weiteren sei die Vernetzung zwischen den Frauenorganisationen besonders wichtig, um Synergien zu schaffen und Erfahrungen und Wissen untereinander zu teilen.
Im Austausch mit Praxisfellow Fatima El Sayed berichteten unsere Alumnae auch von ihrem eigenen ehrenamtlichen Engagement, ihren positiven und negativen Erfahrungen in muslimischen Religionsgemeinden und von Diskriminierungserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt. Das digitale ALUMNi-Austauschtreffen bot die Gelegenheit, Erfahrungen aus der Praxis mit Erkenntnissen aus der Wissenschaft zu verknüpfen und wichtige Erfahrungswerte miteinander zu teilen.
Über die ALUMNi-Arbeit der AIWG
Die AIWG hat mit ihrem MENTi Mentoring-Programm mehr als 50 Tandems erfolgreich zusammengeführt sowie im Rahmen der Praxisfellowships mehr als 20 ergebnisreiche Projekte unterstützten können. Mit ihrer ALUMNi-Arbeit bringt die AIWG die Absolvent_innen des MENTi Mentoring-Programms und die ehemaligen Praxisfellows auch nach ihrer Zeit als Programmteilnehmer_innen zusammen.
Ziel ist es, ein bundesweites und nachhaltiges Netzwerk von zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Expert_innen zu schaffen und gemeinsam Visionen für die Gesellschaft zu entwickeln.
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