Mensch bleibt Mensch- Einblicke in Gebärdensprache und -kultur
Wie sieht Inklusion und Barrierefreiheit bei Hörbeeinträchtigungen aus? Welche unterschiedlichen Kommunikationsmöglichkeiten gibt es und was ist unter „Gehörlosenkultur“ zu verstehen? Und wie kann eine barrierefreie Kommunikation gelingen? Über diese und andere Fragen haben unsere Alumni_ae, darunter ehemalige Mentees und AIWG-Praxisfellows, bei der Präsenzveranstaltung am 25. März 2023 diskutiert.
Den Auftakt der Veranstaltung gestaltete der integrative Gebärdenchor Lukas 14. Chorleiterin Helena Maschanow begrüßte unsere Alumni_ae in ihrer Muttersprache – der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Ihre Gebärden wurden in Lautsprache gedolmetscht, damit sie für das hörende Publikum nachvollziehbar sind. Der Gebärdenchor aus Frankfurt versteht sich als inklusiv, interkulturell und interreligiös und umfasst Menschen mit und ohne Hörbeeinträchtigungen.
Mit „Mensch bleibt Mensch“ und „Inklusion“ führte der Gebärdenchor zwei Lieder auf. Während über einen Lautsprecher Musik abgespielt wurde, machte der Chor durch eine poetische und bildhafte Form der Gebärdensprache die Musik auf einer zusätzlich visuellen Ebene erfahrbar. Erste Gebärden konnten die Teilnehmer_innen bereits mit der Einführung erlernen und so während der Vorführung direkt mitgebärden. Mit den Liedtexten, die wichtige Kernbotschaften wie gesellschaftliche Pluralität, gegenseitiger Respekt und Toleranz vermittelten, konnte der Gebärdenchor unsere Alumi_ae bestens auf das Thema Inklusion einstimmen.
Im zweiten Teil der Veranstaltung tauchten die Teilnehmenden in die Welt der DGS ein. Die Gebärdensprachdozentin Nurcan Kar-Pecen aus Berlin leitete einen Schnupperkurs. Es wurden nicht nur wichtige Gebärden, wie Alltagsfloskeln vermittelt, sondern auch genauer in die Grammatik und das sogenannte Fingeralphabet der Gebärdensprache eingeführt. In ihrem interaktiven Schnupperkurs zeigte Nurcan Kar-Pecen auch Gebärden zum Thema Islam und brachte Vokabeln wie Kleidungsstücke, Farben und Speisen bei. Diese Vokabeln konnten die Teilnehmer_innen nacheinander üben und in Gebärdensprache ihr Lieblingsessen und die Farben ihrer Kleidung den anderen mitteilen. Mit diesem praktischen Teil des Schnupperkurses ließen sich unsere Alumni_ae auf eine neue Form der Kommunikation ein und konnten sich in eine neue Sprache hineinfühlen.
Die Pluralität der Gehörlosenkultur(en)
Frau Kar-Pecen gab zu bedenken, dass die Gebärdensprache eine Muttersprache ist und deshalb alle unterschiedlichen Lautsprachen eine Fremdsprache für nichthörende Menschen darstellen. In diesem Zusammenhang sei es wichtig zu erwähnen, dass Menschen, deren Gemeinschaften von Gehörlosigkeit beeinflusst werden und die Gebärdensprache als Hauptmittel der Kommunikation verwenden, eine eigene Kultur haben, die als „Gehörlosenkultur“ bezeichnet wird. Diese interkulturellen Unterschiede innerhalb dieser Gemeinschaften würden sich auch an den vielfältigen Gebärden zeigen, die es für einzelne Wörter gibt. Helena Maschanow sprach von 25.000 unterschiedlichen Dialekten der Gebärdensprache, die sich in den Bundesländern finden lassen. Für unsere Alumni_ae, die der Lautsprache mächtig sind und zumeist mehrsprachig aufgewachsen sind, bot die Veranstaltung neue Perspektiven und Impulse, um auf Sprachbarrieren zu blicken.
Was ist für eine barrierefreie Kommunikation wichtig?
Als Handlungsimpulse wurde den Teilnehmer_innen mitgegeben, bei der Kommunikation mit nicht-hörenden oder schwerhörenden Menschen darauf zu achten, laut und deutlich zu sprechen und die eigene Mimik zu betonen. Auch wenn gewisse Gebärden erlernt wurden, sei es wichtig, aus sich selbst heraus mit der eigenen Köpersprache Wege der Kommunikation zu (ver)suchen.
Durch die Veranstaltung zu Gebärdensprache und -kultur konnten die Alumni_ae Einblicke in die unterschiedlichen Formen und Wirkungen von Hörbeeinträchtigungen gewinnen. Mithilfe der Gebärden- und Schriftsprache wurden Ansätze zur barrierefreien Kommunikation erprobt und deren Wichtigkeit in das Bewusstsein gerückt. Die Veranstaltung bot auch die Gelegenheit, Menschen mit unterschiedlichen Hörbeeinträchtigungen zu begegnen und sich mit ihnen auszutauschen. Indem Personen wie die Chorleiterin Helena Maschanow und die Gebärdensprachdozentin Nurcan Kar-Pecen von ihren eigenen Erfahrungen berichteten, wurden auch Einblicke aus einer Innenperspektive ermöglicht.
Über die ALUMNi-Arbeit der AIWG
Die AIWG hat mit ihrem MENTi Mentoring-Programm mehr als 50 Tandems erfolgreich zusammengeführt sowie im Rahmen der Praxisfellowships mehr als 20 ergebnisreiche Projekte unterstützten können. Mit ihrer ALUMNi-Arbeit bringt die AIWG die Absolvent_innen des MENTi Mentoring-Programms und die ehemaligen Praxisfellows auch nach ihrer Zeit als Programmteilnehmer_innen zusammen.
Ziel ist es, ein bundesweites und nachhaltiges Netzwerk von zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Expert_innen zu schaffen und gemeinsam Visionen für die Gesellschaft zu entwickeln.
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