Religion und Medizin als Thema in islamischen Gemeinden und Zivilgesellschaft
Am 27. April hat die AIWG ihren 27. Roundtable unter dem Titel „Religion und Medizin als Thema in islamischen Gemeinden und Zivilgesellschaft“ veranstaltet. An dem mittlerweile dreizehnten digital durchgeführten Roundtable nahmen 18 Wissenschaftler_innen, Vertreter_innen aus Religionsgemeinschaften, Akteur_innen aus der muslimischen Zivilgesellschaft und Mediziner_innen teil. Die Teilnehmenden diskutierten unter anderem darüber, wie der Wissenstransfer zwischen Mediziner_innen, muslimischer Zivilgesellschaft und Gemeinden ermöglicht werden kann.
Nach einer Begrüßung durch die AIWG begann die Veranstaltung mit einem Impulsvortrag dazu, wie das Thema in islamischen Gemeinden behandelt wird. Beispielhaft wurden hierbei die Aktivitäten des Zentralrats der Muslime vorgestellt. Neben einer bereits veröffentlichten Handreichung zum Thema „Sterbebegleitung“ werde zurzeit eine kultursensible Patient_innenverfügung für Muslim_innen erstellt. In der Pandemie habe der Verband viel Aufklärungsarbeit über COVID-19-Impfstoffe geleistet. Es seien auch Aufrufe für Blut- und Stammzellenspenden gestartet worden.
Im Rahmen der Diskussion wurde über die Besonderheiten in der Aufklärungsarbeit zu Gesundheitsfragen in den islamischen Gemeinden gesprochen. Auch wenn Publikationen, wie die genannte Handreichung, oder die jüngst erschienene AIWG-Praxisperspektive zum Thema Akutmedizin bereitgestellt würden, ließen sich diese Inhalte nur eingeschränkt an Gemeindemitglieder vermitteln. Dies habe mehrere Gründe. Von sprachlichen Barrieren, über die Frage, welche Expert_innen in den jeweiligen Gemeinden zu Rate gezogen werden könnten bis hin zur Schärfung des Problembewusstseins.
Darüber hinaus sei es notwendig, dass Multiplikator_innen, die medizinische Aufklärungsarbeit in Gemeinden und Zivilgesellschaft leisten können, noch stärker und dauerhaft miteinander vernetzt würden, um bei der Überwindung solcher Kommunikationshürden behilflich zu sein.
Berichten aus der Praxis zufolge seien Imam_innen mit medizinethischen Fragen und seelsorgerischen Ansprüchen aus der Gemeinde häufig überfordert. In solchen Fällen sei es wichtig, das Potenzial der Gemeinde zu kennen und Mitglieder, die eine medizinische Ausbildung haben, zur Beratung einzubeziehen. Auch das Angebot von Weiterbildungen für Imam_innen speziell zu medizinischen Themen könnte Defizite abmildern. Darüber hinaus wurde auf Netzwerke wie die Gesellschaft Muslimischer Mediziner in Norddeutschland e. V. und die Initiative Islamberatung in Bayern verwiesen.
Wissensvermittlung in den Sozialen Medien
Der zweite Impulsvortrag des Roundtables lenkte den Blick auf das Engagement muslimischer Mediziner_innen. Die Humanmedizinerin und Influencerin Dr. Hatun Karakaş berichtete von den Informationsangeboten auf ihrer Webseite, sowie in den Sozialen Medien. Neben ihrer Aufklärungsarbeit zu spezifischen Fragen wie der Einnahme von Medikamenten mit Gelatine, dem Kranksein im Ramadan und Verhütungsmethoden bietet Dr. Karakaş im Rahmen ihres AIWG-Praxisfellowships auch eine Videoreihe zu komplexeren Themen wie Palliativmedizin und Organspende an. Für sie sei es nicht nur wichtig, ihr Wissen zum Thema Islam und Medizin mit anderen zu teilen, sondern sie sehe sich auch in einer wichtigen Brückenfunktion zwischen Muslim_innen und dem Gesundheitssystem.
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es äußert wichtig sei, das Thema „Islam und Medizin“ in den Sozialen Medien zu kommunizieren. Dabei wurde aber auch die Notwenigkeit betont, mit Wissenschaftler_innen der islamisch-theologischen Zentren zusammenzuarbeiten. Zudem sei es wichtig, bereits vorhandene Veröffentlichungen und internationaler Studien zu islamrechtlichen und medizinethischen Fragen, beispielsweise von internationalen Gutachterräten, zusammenzutragen und solche Initiativen miteinander zu vernetzen. Empirische Erhebungen über Fragen und Interessen der Gemeindemitglieder würden darüber hinaus wichtige Einblicke in den Bedarf nach spezifischen Themen verschaffen.
Über den AIWG-Roundtable
Der AIWG-Roundtable bietet eine Plattform für den intensiven, vertrauensvollen Austausch und die Entwicklung von Lösungen zu gesellschaftsrelevanten Fragen des Islams in Deutschland. Weitere Informationen finden Sie hier.