Wende und Migration: Eine gemeinsame Erfahrung?
Dieses Jahr schreiben wir 30 Jahre Wiedervereinigung und 60 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei. Eine Betrachtung beider Erfahrungen und ein Zusammenhang zwischen beiden ist aktueller denn je. Im Mentee-Austauschtreffen am 27.10. stellte unsere Mentee Maike Lindenberg ihre Abschlussarbeit „Analogische Perspektiven auf (Nicht)Anerkennung von Ostdeutschen und Muslimen“ vor.
Maike Lindenberg stellte in ihrer Arbeit den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs zu muslimisch gelesenen Personen und Ostdeutschen dar. Ihre empirische Untersuchung ergab Analogien zwischen beiden gesellschaftlich konstruierten Bevölkerungsgruppen. So traten aus den Interviews mit muslimisch gelesenen Personen und Ostdeutschen gemeinsame Erfahrungen hervor, so zum Beispiel in der Identitätsbildung, die sich durch Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft, etwa in der Sprache und des Dialekts, artikuliert. Zudem erleben diese konstruierten Gesellschaftsgruppen Fremdmarkierungen und Homogenisierung und teilen ähnliche Diskriminierungserfahrungen. Überdies stellt Maike Lindenberg nicht nur das Potential für gegenseitiges Verständnis in diesen konstruierten Gruppen dar, sondern auch die Konkurrenz um Anerkennung, die sich in einem Spannungsfeld widerspiegelt. Besonders deutlich wird dieses Spannungsfeld in der Gegenüberstellung zweier Titel: „Integriert doch erstmal uns! Eine Streitschrift für den Osten“ von Petra Köpping (2019) und „Ihr versteht mich! Warum junge Deutschtürken und junge Ostdeutsche viel mehr gemeinsam haben, als sie glauben“ von Kübra Gümüsay (2013) in der Zeit.
Die Vorstellung der Arbeit von Maike Lindenberg führte im Mentee-Austauschtreffen zu einer erkenntnisreichen Diskussion über (Un)gleicheiten, Verortung in der Mehrheitsgesellschaft, Dominanz, Macht und die Problematiken der Auseinandersetzung mit der eigenen Identität als Person, als Familie und im Kollektiv.
Die Arbeit von Maike Lindenberg erweitert das Forschungsfeld mit neuen Perspektiven: Ihre Intention ist es, eindimensionale Geschichtsschreibung aufzubrechen und neue Perspektiven zuzulassen, das heißt in der Wendeerfahrung allen Bevölkerungsgruppen, auch den Gast- und Vertragsarbeiter_innen, Gehör zu verschaffen.
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Aktuell betreut die AIWG drei Jahrgänge in ihrem MENTi Mentoring-Programm. Insgesamt konnten bereits 50 Tandems erfolgreich zusammengeführt werden.
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