Islamische Bestattungen in Deutschland: AIWG-Forschungsfellow stellt erste Zwischenergebnisse vor
Unter dem Titel „Wandlungen islamischer Bestattungen in Deutschland“ kamen am 24. Juni 2022 mehr als 30 Wissenschafter_innen sowie Vertreter_innen aus Friedhofsverwaltungen, Religionsgemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Initiativen auf dem AIWG-Kongress zum 27. AIWG-Roundtable zusammen, um gemeinsam mit Prof. Dr. Thomas Lemmen über die ersten Zwischenergebnisse seines Forschungsprojekts als AIWG-Forschungsfellow zu diskutieren.
In seinem Impuls präsentierte Prof. Dr. Thomas Lemmen von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Initiator des Roundtables und AIWG-Forschungsfellow, erste Zwischenergebnisse seines Forschungsprojekts zu „Islamischen Bestattungen in Deutschland“.
Anhand schriftlicher quantitativer Befragung von kommunalen Friedhofsverwaltungen zum Thema Regelungen zur Anlage islamischer Grabfelder sowie zur Durchführung islamischer Bestattungen analysiert Lemmen Wandlungsprozesse, sowohl im Diskurs, der Kommunikation mit islamischen Gemeinden als auch gesetzliche Änderungen. Anhand der 340 ausgefüllten Fragebögen der Friedhofsverwaltungen sei ein Wandel in der Ländergesetzgebung sowie in den Friedhofssatzungen der Kommunen festzustellen, der eine Berücksichtigung von religiösen Ritualen und Bedürfnissen von Muslim_innen widerspiegle.
Dies zeige sich vor allem daran, dass eine sarglose Bestattung bei 77% der an der Studie beteiligten Friedhofsverwaltungen in Deutschland möglich sei. Zudem sei untersucht worden, ob sich Friedhofsverwaltungen und lokale muslimische Gemeinschaften bei islamischen Bestattungen untereinander abstimmten. In 83% der Fälle war ein solcher Kommunikationsprozess laut Prof. Dr. Lemmen gegeben.
Die anschließende Diskussion drehte sich darum, welche Regelungen zur Anlage von islamischen Grabfeldern berücksichtigt werden müssen:
- Gilt für Muslim_innen das ewige, unbefristete Ruherecht im Grab?
- Muss es sich bei dem Areal eines islamischen Grabfelds um ein „jungfräuliches“ Feld handeln?
- Was ist bei der islamischen Grabpflege theologisch erlaubt und was verboten?
Aus islamisch-theologischer Perspektive sei zu berücksichtigen, dass in vielen Rechtsquellen von einem ewigen Ruherecht ausgegangen werde. Hier schloss die Frage an, ob das Bestattungsrecht der Kommunen ein unbefristetes Nutzungsrecht zuließe. Muslimische Gelehrte seien sich darüber einig, dass, wenn die Verwesung eines Leichnams nach mindestens 20 Jahren vollständig abgeschlossen ist, das Areal als „neu“ anerkannt werden könnte. Unabhängig davon, was die islamischen Rechtsquellen zur Grabpflege festlegen, würde diese in der Praxis sunnitisch, schiitisch und kulturspezifisch immer anders aussehen, darum sei bei deren Beurteilung Vorsicht geboten. In den islamischen Rechtsquellen würden kulturspezifische Elemente grundsätzlich als zugelassen anerkannt sein.
Friedhofsverwaltungen wünschen sich mehr Informationen zu islamischen Bestattungsriten
Vertreter_innen aus Friedhofsverwaltungen versicherten, dass eine Berücksichtigung der Bedürfnisse von Muslim_innen bei der Planung und Organisation von Grabfeldern unproblematisch sei, doch würden Verwaltungen schlicht zu wenig darüber wissen. Darum sei es wichtig, dass Muslim_innen und islamische Religionsgemeinden frühzeitig den Kontakt suchen. Der Informationsaustausch mit Muslim_innen sei dabei genauso wichtig, wie die Vermittlung von islamrechtlichen und theologischen Perspektiven durch Expert_innen.
In der Diskussion über den Wandel von islamischen Bestattungen in Deutschland haben sich viele Synergien zwischen der Wissenschaft und den Vertreter_innen aus der Praxis ergeben. Alle Teilnehmer_innen waren sich einig, dass der Austausch zwischen den Beteiligten fortgesetzt werden sollte. Außerdem würde ein Bedarf nach Handlungsempfehlungen für Friedhofsverwaltungen bestehen. Die AIWG bot an, diese Wünsche in ihrer Arbeit mit aufzunehmen. Außerdem wies sie auf die bisherige Arbeit der AIWG-Praxisfellows in diesem Bereich hin.
Über den AIWG-Roundtable
Der AIWG-Roundtable bietet eine Plattform für den intensiven, vertrauensvollen Austausch und die Entwicklung von Lösungen zu gesellschaftsrelevanten Fragen des Islams in Deutschland. Weitere Informationen finden Sie hier.