Ohne Barrieren an der Gesellschaft teilhaben – Mentees werfen einen Blick auf den Umgang mit Behinderung im Islam
Welche Sichtweisen herrschen in der muslimisch geprägten Bevölkerung zum Thema Behinderung? Und welche Antworten bieten islamtheologische Perspektiven auf den Umgang mit Behinderung? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unsere Mentee Yasemin Kaya. Am 10. November stellte sie beim Mentee-Austauschtreffen ihre Abschlussarbeit dazu vor.
In ihrer Präsentation ging Yasemin Kaya auf die Erwähnung des Begriffs der „Behinderung“ im Koran und den Umgang mit Menschen mit Behinderung in muslimischen geprägten Gesellschaften ein.
So erklärte sie, das Thema „Behinderung“ werde im Koran in wenigen Passagen adressiert. Die in diesem Zusammenhang auftauchenden Begriffe wie „taub“, „stumm“ oder „blind“ werden im bildlichen Sinne, verstanden: Gemeint seien somit Menschen, die Botschaften des Korans nicht erkennen oder diese leugnen würden. In der Glaubenspraxis allerdings wird Behinderung als körperliche Einschränkung behandelt, so zum Beispiel bei der Verrichtung des Gebets: Das muslimische Gebet ist eine bestimmte Abfolge von Worten und Bewegungen. Dabei werden vier Grundhaltungen eingenommen: Stehen, Verbeugen, Knien und Niederwerfen. Menschen mit körperlichen Einschränkungen können diese sich wiederholenden Bewegungen nicht ausführen. Daher wird in der Glaubenspraxis ein besonderer Bezug auf Personen mit Behinderung genommen. Es werden somit individuelle Rechtsurteile verkündet, die ermöglichen das Gebet zu verrichten. Diese islamtheologischen Perspektiven auf und von Behinderung in ihren verschiedenen Dimensionen untermauerte Yasemin Kaya durch Verse im Koran und Werke von Gelehrten wie al-Māturīdīs, az-Zamaḫšarī und Ibn Qutaiba. Zusätzlich verwies sie auf Rechtsurteile zum Umgang mit Behinderung.
In muslimisch geprägten Gesellschaften werde darauf abgezielt, Menschen mit körperlicher Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen und religiösen Leben zu ermöglichen. Diese Aufgabe werde als Verantwortung der Gesellschaft betrachtet. Yasemin Kaya hob hierbei die Errichtung von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung hervor, darunter ein Krankenhaus im 8. und eine Schule für gehörlose Menschen im 19. Jahrhundert.
In der anschließenden Diskussion wurden gegenwärtige Herausforderungen im Umgang mit Behinderung thematisiert, sowie die Hürden innerhalb der politischen Strukturen. Dabei bildeten sich einige zentrale Fragen heraus: Leben wir gegenwärtig in einer inklusiven und offenen Gesellschaft?
Yasemin Kaya wird ihre Forschungsarbeit zu diesem Thema mit einer empirischen Studie erweitern und berichtet uns sicherlich bald aus der Praxis mit spannenden Antworten.
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Aktuell betreut die AIWG drei Jahrgänge in ihrem Mentoring-Programm MENTi. Insgesamt konnten bereits 50 Tandems erfolgreich zusammengeführt werden.